Vision 2050. Ein Blick zurück…

Beate Fischer, Georg Blum, Peter Moservon Beate Fischer, Georg Blum, Peter Moser (Gastbeitrag), , 0 Kommentare
Vision 2050: Ein Blick zurück

Es ist grau. Nicht richtig kalt, aber ich friere in meiner dünnen Jacke. Ein Winter ohne Schnee. Der erste seit 20 Jahren. Ich haste durch die schmutzigen Straßen, schaue auf die schwarzen Hauswände. Es ist schwer zu atmen, die Luft ist dick. Ein verzweifelter Hilferuf, die letzten Braunkohle-Halden wieder zu öffnen. Überall sehe ich Menschen, die tatenlos dasitzen, herumlungern. Ich fühle mich unangenehm beobachtet. Es ist seltsam still auf den Straßen. Kaum Autos. Auf der Anzeige einer Tageszeitung lese ich: „Kein Ende der Wirtschaftskrise in Sicht! Letzte Solarfirma kündigt Standortverlagerung an“. Drei Straßen weiter lese ich auf einem Screen „Irrtum Energiewende: 10 Mio. Arbeitslose in Deutschland“.

Ich bin verzweifelt. Wie konnte das passieren? Ich stehe vor einer Tür, klingele. Niemand öffnet. Ich klingele noch einmal. Eine Gruppe Jugendlicher starrt mich an. Mist, die Tür öffnet sich nicht. Ich klingele Sturm. Die Gruppe kommt näher, mir läuft ein Schauer den Rücken herunter. Dann lese ich „Das Forschungszentrum für Erneuerbare Energien und Dezentralität wurde leider geschlossen. Wir danken Ihnen für Ihr Vertrauen und die gute Zusammenarbeit“. Etwas unsicher laufe ich in Richtung Universität. „Komm, den packen wir uns, es ist einer von den Erneuerbaren-Scheißkerlen“, höre ich eine Stimme hinter mir. Ich gehe schneller, aber sie kommen näher. Ich habe Angst. Auf der Höhe des dritten Fracking-Turms spüre ich einen Schlag. Ich schrecke hoch.

Wo bin ich? Ich liege in meinem Bett. Es ist hell. Ein milder Frühlingstag, frische milde Luft strömt durch das geöffnete Fenster. Nachdenklich bleibe ich noch fünf Minuten im Bett sitzen.

 

Photvoltaikanlagen in Nordhessen, Quelle: IdE

Photvoltaikanlagen in Nordhessen, Quelle: IdE

Irgendwann kam das Umdenken

Ich bin froh in Deutschland zu leben. Als wir jung waren, konnten wir den Verheißungen des billigen Erdgases wiederstehen. Ich war 25, da purzelten in den USA die Erdgaspreise in den Keller. Fracking hieß die damals noch neue Methode. Unter massivem Einsatz von Chemikalien wurde Erdgas gefördert. Heute müssen die US-Amerikaner mit den Folgen ihrer Politik leben.

Wir haben es diesmal richtig gemacht. Sind weggekommen von unserer Fixierung auf einen ressourcenintensiven Lebensstil. Irgendwann gab es ein Umdenken. Langsam, aber stetig haben wir uns verbessert.

 

Statt mit dem fetten Auto geben wir heute mit neuester Energietechnik an

Erst wurde es zum Volkssport sein Haus energetisch zu sanieren. Nicht mehr mit dem großen Auto konnte man protzen, sondern mit der neuesten Energietechnik. Und die stand nicht mehr im Keller, sondern mitten im Wohnzimmer. Intelligente Steuerungstechnik. Auf Hauseigentümerstammtischen wurde heiß diskutiert, welches Dämmmaterial das Beste ist. Mittlerweile ist der Hanfanbau in Deutschland genauso wichtig geworden wie die Viehwirtschaft oder der Anbau von Energiepflanzen. Heizenergie brauchen wir eigentlich nur noch ganz selten. Und das liegt nicht (nur) an der Erderwärmung. Passivhäuser waren die langumstrittene Lösung, die sich dann durchgesetzt hat. Klar, nicht überall. Auf unsere historische Bausubstanz sind wir mächtig stolz. 300 Jahre alte Häuser erzählen von der Geschichte unseres Landes. Die Häuser kriegt man nicht mit Körperwärme beheizt. Aber dafür haben wir Lösungen gefunden. Längst totgesagte Stromheizungen nutzen Windkraft, den Müll können wir energetisch verwerten und in unseren Wäldern wächst jedes Jahr genug Biomasse nach.

 

Smarte Technik und blaue Dächer, soweit das Auge reicht

Unsere Haushaltsgeräte sind heute so smart, dass sie kaum noch Strom verbrauchen. Und unsere Häuser sehen echt gut aus: Blaue Dächer soweit das Auge reicht – wir nutzen jedes Fitzelchen der Sonnenenergie. Morgens geht die Sonne im Osten auf, Spitzenlast am Mittag und am frühen Abend leisten die Westdächer ihren Beitrag. So einfach ist es.

Windräder verschandeln die Landschaft?

Windräder verschandeln die Landschaft? Quelle: IdE Kassel

 

Und was haben wir diskutiert. Windräder verschandeln die Landschaft. Zerhacken Vögel. Als würden immer und überall Windräder drehen. Nur die besten Standorte brauchen wir heute.  Wie der Windpark zwei Kilometer östlich der Stadt. Wir sind stolz auf unseren Windpark. Er gehört nicht irgendwem, sondern den Bürgern der Stadt. Die Finanzkrise hat sich fast ein Jahrzehnt durch Europa geschleppt,  bis es dann auch der Letzte verstanden hat. Es macht keinen Sinn in Aktien und Papiere zu investieren, die man nicht versteht. Das Geld sollte in Dinge fließen, die wir direkt vor Ort brauchen. Dann sind auch keine Wahnsinnsrenditen notwendig.

 

Diskussionen bis spät in die Nacht, aber es hat sich gelohnt

Arbeitskreis Energie. Energiegenossenschaft. Bürgerwindpark. Die Abende waren lang und manchmal anstrengend. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Auch die vielen Kritiker, die es anfänglich gab, sind heute überzeugt, dass der Windpark eine gute Entscheidung war. Und mittlerweile drehen die Mühlen schon in der dritten Generation. Brachten die ersten Anlagen „mickrige“ 2,3 Megawatt Leistung, so sind die gerade erst im vergangenen Jahr installierten Anlagen mit 10 Megawatt unglaublich leistungsfähig. Und das ist gut so, denn wie gesagt: Wir brauchen Strom auch zum Heizen. Und natürlich auch für unsere elektrischen Nachbarschaftsautos, den Bus und den Roller. Die Vision der leisen Straßen hat sich so ganz anders erfüllt als ursprünglich gedacht. Klar, der Verkehr ist etwas zurückgegangen, aber im Wesentlichen sind unsere Autos und Busse viel leiser geworden.

 

Lokale Lösungen für globale Probleme

Unsere Vision ist aufgegangen. Schwankungen am Weltmarkt interessieren uns seit der Energiewende weit weniger als früher. Wir wirtschaften sorgsam mit den Ressourcen, die wir haben. Überhaupt: regionale Wertschöpfung. Erst schien diese etwas antiquiert anmutende Idee von regionalen Wirtschaftskreisläufen nicht in eine moderne Welt hineinzupassen. Doch gerade bei der Energie hat sich dieser Weg als richtig erwiesen. Nicht nur der Windpark hat ein paar sichere Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch die regionale Wertschöpfungskette in der Holzpellet-Produktion. So konnte in letzter Minute noch das Sägewerk gerettet werden. Die regionalen Wertschöpfungsketten sorgen für geringe Transportwege. Gerade jetzt, wo Benzin und Diesel so teuer geworden sind, ist das ein echter Vorteil.

 

Eine Vision, die Wirklichkeit wird

Meine Tochter arbeitet bei der IRENA, der mittlerweile größten UN-Organisation. Und mein Sohn an der Universität Kassel, in einem Projekt zu CO2-Sequestrierung. So können wir den Klimawandel aufhalten, indem wir den CO2-Gehalt in unserer Atmosphäre wieder reduzieren und dabei die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mittlerweile funktioniert es schon im großindustriellen Maßstab, es fehlen nur noch gute Geschäftsmodelle.

Meine fünf Enkel gehen momentan noch zur Schule. Am Ende meines Lebens habe ich die Zuversicht, dass wir ein enkeltaugliches Wirtschafts- und Energiesystem haben, das für die nächsten 300 Jahre funktioniert. Und nicht in einem Alptraum endet.

 

 

Beate Fischer, Georg Blum und Peter Moser vom IdE Institut dezentrale Energiekonzepte

Beate Fischer, Georg Blum und Peter Moser vom IdE Institut dezentrale Energiekonzepte

Vielen Dank!

Ein Gastbeitrag von Georg Blum, Beate Fischer und Dr. Peter Moser, Mitarbeiter des IdE Institut dezentrale Energietechnologien, über ihre Perspektive für die Erneuerbaren Energien. Die fiktive Person in diesem Text spiegelt die persönlichen Hoffnungen und Wünsche der drei Autoren wider. Sie befassen sich beruflich mit langfristigen Entwicklungen im Bereich der regionalen Energieversorgung.

Vielen herzlichen Dank für den nachdenklichen und zukunftsweisenden Beitrag.

 

 

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This article was published in 2013. As we are constantly developing our solutions, there may be newer or additional options for the tips and techniques in this article.

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