Solare Mini-Grids elektrifizieren 300 Dörfer im Senegal

Erik Klüglingvon Erik Klügling (Gastbeitrag), , 2 Kommentare

Die Republik Senegal möchte ihrer Bevölkerung bis 2025 den dauerhaften Zugang zu Strom ermöglichen. Allerdings lebt die Hälfte der knapp 17 Millionen Einwohner auf dem Land, teils weit weg vom öffentlichen Stromnetz. Deshalb setzt die Regierung auf dezentrale und klimafreundliche Energie-Lösungen. Das staatliche Projekt ASER300 elektrifiziert 300 Dörfer im ganzen Land mit sogenannten Mini-Grids – inklusive PV-Modulen, Wechselrichtern, Batterien und Kühlsystemen.

Dürre, unfruchtbare und versalzene Böden, ausbleibende Regenzeiten, Waldsterben – die Republik Senegal spürt die Folgen des Klimawandels mit voller Wucht. Das hat nicht nur Folgen für Gesundheit und Ernährungssicherheit der Bevölkerung. Auch wandern vermehrt junge Menschen auf der Suche nach einer besseren Perspektive vom Land in Großstädte ab. Arbeitskräfte fehlen etwa in der Landwirtschaft, die durch den Klimawandel schon genug Probleme hat. Das demokratische Land an der Westküste Afrikas setzt daher auf den massiven Ausbau seiner Infrastruktur, um auch jungen Menschen wieder eine bessere Perspektive zu bieten. Ein Ziel: Bis 2025 allen Menschen im Senegal konstanten Zugang zum Stromnetz verschaffen. Dabei steht der Ausbau vor allem im ländlichen Raum im Fokus. So wie im Projekt ASER300, das 300 Dörfer mit Mini-Grids elektrifiziert. Der Clou: Die Technik zur Energieversorgung steckt in einem Standard-Überseecontainer. An Ort und Stelle installiert, braucht es nur noch die Sonne. Und die scheint im Senegal reichlich.

Bringing Electricity to 120 villages in Senegal - Factory and Senegal Yard Updates

Mini-Grids für ASER300: Stromversorgung aus dem Container

Ein Mini-Grid, auch Off-Grid-System oder Inselnetz genannt, ist eine dezentrale Stromversorgung. Es versorgt abgelegene Regionen ohne direkten Anschluss ans öffentliche Stromnetz zuverlässig mit Solarstrom.

Asantys Systems GmbH montiert die Containersysteme, bevor sie von Hamburg in den Senegal verschifft werden. © Höhne

Im Projekt ASER300 im Senegal kommen Mini-Grid-Systeme von Asantys Systems sowie Off-Grid Europe mit den SMA Batterie-Wechselrichtern Sunny Island zum Einsatz. Das System besteht aus PV-Modulen, Solar- und Batterie-Wechselrichtern, Batterien, Kontrolltechnik und Kühlsystem. Praktisch: Alles findet in einem typischen Überseecontainer Platz, der als technischer Kontrollraum, Batteriespeicher und zur Verschiffung sämtlicher Bauteile dient. Eine spezielle Klimatechnik schafft optimale Verhältnisse, trotz extremer Außentemperaturen wie 40 Grad im Schatten. Bei den Systemen von Off-Grid Europe etwa sind die Solarmodule auf dem Containerdach befestigt. Hier spenden sie dem System Schatten und sind gleichzeitig besser vor Staub und Schmutz geschützt. Der Wechselrichter wandelt den Gleichstrom aus der PV-Anlage um, von wo aus er direkt ins Netz gespeist wird. Überschüssiger Strom wird in leistungsstarken Batterien zwischengespeichert und damit eine konstante Stromversorgung gesichert.

Asantys ASER 300 Programm Senegal_first village

 

Solarstrom für mehr Bildung und Sicherheit

 

„Die Produktivität wird erhöht und besonders die Kommunikations-, Informations- und Fortbildungsmöglichkeiten verbessern sich“, so ASER300-Projektdirektor Lutz Ekhoff von GAUFF Engineering (im Bild links gemeinsam mit Vertreterinnen der KfW, dem Bürgermeister von Diacksao Saloum und Modou Mbaye). © GAUFF Engineering

Tipp: Im Magazin „Sonnenallee“ findet ihr mehr über den positiven Effekte des Projekts ASER300.

Jedes Dorf erhält ein eigenes Mini-Grid mit 15 bis 45 kWp Leistung inklusive Batteriespeicher. „Vor allem das Gesundheits- und Bildungswesen wird profitieren“, sagt Sawdiatou Mbaye, die für Asantys Systems vor Ort die Koordination und Kommunikation des Projekts mitgestaltet. Kritische Infrastruktur kann permanent betrieben werden, beleuchtete Straßen erhöhen die nächtliche Sicherheit, elektrische Wasserpumpen fördern sauberes Trinkwasser. Elektrische Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Ventilatoren können durchgehend genutzt und Smartphones jederzeit geladen werden.

Aber auch „die Produktivität wird erhöht und besonders die Kommunikations-, Informations- und Fortbildungsmöglichkeiten verbessern sich“, so ASER300-Projektdirektor Lutz Ekhoff von GAUFF Engineering. Die nachhaltige lokale Wertschöpfung ist ein weiterer wichtiger Baustein: Der Aufbau wird vor Ort von lokalen Baufirmen umgesetzt.

GAUFF Engineering und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GiZ) schulen lokale Fachkräfte und Elektriker im Umgang mit Photovoltaik und Off-Grid-Systemen. Und sollte sich der Strombedarf im Ort erhöhen, lassen sich die Systeme jederzeit flexibel erweitern.

Vorteil AC-Kopplung der Wechselrichter: „Sollte sich der Strombedarf im Ort erhöhen, lässt sich das System jederzeit auf bis zu 36 Geräte erweitern“, sagt Tim Malzfeld von der SMA Altenso GmbH.

Deshalb hat man sich für das Projekt auch gezielt für ein AC-gekoppeltes System und gegen den ursprünglich geplanten Hybrid-Wechselrichter entschieden. „Auch wenn anfangs nur zwei oder drei Geräte zum Einsatz kommen, lässt sich das System jederzeit auf bis zu 36 Geräte erweitern“, sagt Tim Malzfeld von SMA Altenso.

Corona und die „letzte Meile“ bremsen den Zeitplan, sind aber kein Hindernis

Eigentlich sollten alle Dörfer im Jahr 2023 mit der nachhaltigen Stromversorgung ausgestattet sein. Doch als 2020 die Container-Systeme den Hamburger Hafen in Richtung Senegals Hauptstadt Dakar verließen, legten die Corona-Lockdowns die internationalen Lieferketten zeitweise lahm. Statt der ein bis dreiwöchigen Seereise mussten nun je nach Route und Stationen mindestens vier Wochen eingeplant werden.

 

Die Tücken und Herausforderungen der berühmten „letzten Meile”. © Asantys Systems GmbH

Auch die berühmt-berüchtigte „letzte Meile“ bringt teils ungeahnte Herausforderungen mit sich. Lutz Ekhoff erlebte das live vor Ort: „Abseits der Nationalstraßen gibt es meist unbefestigte Pisten aus Sand und Laterit, was die Transport- und Baulogistik aufwändiger gestaltet.“ Dazu kommt die Regenzeit. Von April bis November sind Unwetter im Senegal keine Seltenheit. Die heftigen Niederschläge treffen auch das Verkehrsnetz, blockieren Straßen oder „spülen sie im schlimmsten Fall einfach weg. Die Trucks stecken dann für Tage, manchmal sogar Wochen fest“, sagt Sawdiatou Mbaye.

Magische Momente und neue Lebensabschnitte

Doch der Aufwand lohnt sich immer wieder, weiß Sawdiatou Mbaye, beginnt doch mit der Installation der Mini-Grids häufig ein neuer Lebensabschnitt für die Einwohner. So etwa im Frühjahr 2021 in Diacksao Saloum nahe Dakar, als eines der ersten Mini-Grid-Systeme für die 1.400 Dorfbewohner aufgebaut wurde: „Als die Straßenlaternen das erste Mal leuchteten, tanzten manche Bewohner im Licht und lagen sich glücklich in den Armen“, erinnert sie sich an diesen für sie „magischen Moment“ zurück. Im November 2022 waren weitere 44 Dörfer in den Regionen Kaffrine, Velingara und Kolda fertig übergeben. Die Elektrifizierung weiterer 132 Dörfer befindet sich auf der Zielgeraden. Insgesamt sollen dann bis 2024 rund 180.000 Menschen von Solarstrom profitieren – und sich so aus der Abhängigkeit von klimaschädlichen fossilen Energielieferanten wie Dieselgeneratoren lösen.

 

Das Projekt ASER300 im Überblick

Projektumfang

  • 60.000 m² Solarmodule in 600 Containersystemen (Solar Mini-Grids) mit insgesamt 9 MWp (Megawattpeak) Leistung, über 800 km Stromleitungen, 3.600 LED-Straßenlichter
  • Weiterbildung: 4.800 Stunden Training und Ausbildung lokaler Elektriker und Unternehmen im Umgang mit Solartechnik durch GiZ und GAUFF Engineering

Der zeitliche Ablauf

  • November 2018: Freigabe von KFW-IPEX
  • Juli 2019: Kick-off
  • Januar 2020: PV-Komponenten geliefert
  • April bis Mai 2020: Auswahl von 20 Dörfern
  • Dezember 2020: Start der System-Implementierung
  • November 2022: 44 Dörfer fertig, 132 Dörfer in Fertigstellung
  • 2024: Geplanter Projektabschluss
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2 Kommentare
  1. Andreas Höfer
    Andreas Höfer sagte:

    Guten Abend,
    ein schöner Artikel, ich freue mich mit den Menschen.
    Wie sieht denn das Service Konzept aus, auch die Besten Komponenten benötigen Wartung, Ersatzteile oder auch mal einen Austausch?
    Viel Erfolg mit den Systemen
    Andreas Höfer

    Antworten
    • Christiane Keim
      Christiane Keim sagte:

      Hallo Andreas,

      für die spontane Ersatzteilversorgung gibt es vor Ort Lager, die von den beteiligten Firmen aufgebaut wurden.
      Im Rahmen des Projektes werden zudem 1.000 Elektriker*innen vor Ort geschult, die dann selbständig die Wartung/Instandhaltung und Reparatur übernehmen werden.
      Denn das war ein wichtiger Punkt des Projekts: Wertschöpfung und Expertise sollen im Land konzentriert und damit die Autarkie vor Ort gefördert werden.
      Weitere Einblicke und Informationen findest du in unserem Magazin „Sonnenallee“.

      Sonnige Grüße
      Christiane

      Antworten
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