PV-Diesel-Hybridanlage in Bolivien versorgt abgelegene Region mit Energie
Die Region Pando im Norden Boliviens ist extrem abgelegen und dünn besiedelt. An ein öffentliches Stromnetz ist hier nicht zu denken, ein Dieselkraftwerk versorgt die Region. Bis Dezember 2014 hatten nur 65 Prozent der Bevölkerung überhaupt Zugang zu Elektrizität. Mit einem PV-Diesel-Hybrid-Kraftwerk in der Hauptstadt Cobija hat die Region nun den Bogen Richtung nachhaltige Energieversorgung geschlagen: Sie löst sich aus der Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen und steigert die Elektrifizierungsrate auf 80 Prozent. Durch die Ergänzung seines Kraftwerks um Solarenergie spart der lokale Energieversorger jährlich rund 1,9 Millionen Liter Dieselkraftstoff.
In den Straßen von Cobija ist es meistens laut, staubig und es stinkt nach Abgasen. Die hohe Luftfeuchtigkeit und die Hitze treiben einem schnell den Schweiß auf die Stirn. Überall herrscht geschäftiges Treiben. Auf motorisierten Zweirädern sind oft ganze Familien unterwegs, Motortaxen kurven Besucher durch die Stadt. Dank ihrer Stellung als Zoll-Sonderzone erlebt die Hauptstadt des Departments Pando derzeit einen wirtschaftlichen Aufschwung wie zuletzt in den 1940er Jahren zur Blütezeit der Kautschukindustrie. Cobija ist zu einem bedeutenden Handelszentrum für Gebrauchsgüter gewachsen. Viele Waren des täglichen Gebrauchs werden deutlich günstiger als im fußläufig erreichbaren Brasilien angeboten. Es gibt fast nichts, das es nicht gibt. Große Bauvorhaben wie ein neuer Flughafen oder ein Fußballstadion werden auf Plakaten angekündigt. Nur mit der Energieversorgung für die rund 55.000 Einwohner der Stadt sowie der umliegenden Gemeinden ist es hier nicht ganz so einfach.
Sonne satt statt Diesel
Ein LKW rollt durch die Straße und wirbelt eine riesige Staubwolke aus sonnengetrocknetem Lehm auf. Der 17-Tonner hat Diesel geladen, den er zum Dieselkraftwerk am Stadtrand bringt. Die schweren LKW kommen zweimal, in letzter Zeit eher dreimal täglich. Nicht selten macht den Fahrern dabei allerdings der Fluss Madre de Dios einen Strich durch die Rechnung, wenn er bei dem für die Region typischen Starkregen über die Ufer tritt. Er macht dann die Fernstraße und den Zuweg zum Kraftwerk unpassierbar. Dann muss der Kraftstoff manchmal sogar auf Boote verladen werden. Zwar werden fossile Energieträger im Land noch stark subventioniert und sind daher verhältnismäßig günstig, die aufwändigen Kosten für Lieferung und Transport spiegeln sich darin allerdings nicht wider.
Neues Aushängeschild: PV-Diesel-Hybrid
Wie Cobija den steigenden Energiehunger seiner Einwohner und Unternehmen nun trotzdem stillen kann: Mit Solarenergie. Die gute Sonneneinstrahlung von etwa 1.500 kWh/kWp im Jahr bietet ideale Voraussetzungen dafür. Und so ist hier im Dezember 2014 das weltweit größte Photovoltaik-Diesel-Hybrid-Kraftwerk mit Batteriespeichern in Betrieb gegangen – von der Veröffentlichung der Ausschreibung bis zur Inbetriebnahme vergingen nur neun Monate. Die Stadt hat ein neues Aushängeschild dazubekommen. „Dass die erste größere Photovoltaikanlage in Bolivien überhaupt gleich eine Hybridanlage derartigen Ausmaßes ist, macht uns schon stolz“, erzählt Stefan Tait, Senior Sales Manager Hybrid, der das Projekt für SMA koordinierte. „Für uns ist es ja gleichzeitig auch noch das Leuchtturmprojekt für unseren Batterie-Wechselrichter Sunny Central Storage. Mit ihm zeigen wir, wie wir den PV-Anteil an der Stromerzeugung noch mal signifikant steigern können.“
Nachhaltige Energieversorgung ermöglicht Wachstum
Die Photovoltaikanlage befindet sich ein paar Kilometer vom Dieselkraftwerk entfernt ebenfalls am Stadtrand. Die Module haben eine Leistung von 5,2 Megawatt peak (MWp), der angeschlossene Lithium-Ionen-Batteriespeicher eine Leistung von 2,2 MW. Als intelligente Regelungskomponente zwischen Diesel- und dem Solarkraftwerk errechnet der SMA Fuel Save Controller (FSC) aus den Energieflüssen im Netz die maximal zulässige Photovoltaikleistung. So hält er das System stabil und sorgt für die reibungslose Steuerung der Dieselaggregate. Der FSC steuert auch die Batterie – sie gleicht Schwankungen in der PV-Energieerzeugung und bei den elektrischen Lasten aus. Der Energieversorger kann so rund 5.200 Liter Diesel am Tag einsparen, über das Jahr gerechnet sind es 1,9 Millionen Liter Kraftstoff und die entsprechende Menge CO2 weniger. Ein weiterer positiver Effekt: Die Betriebsstunden des Dieselgenerators reduzieren sich, da er nicht mehr so viel Reserveleistung vorhalten muss – das übernehmen nun teilweise die Batterien.
Großes Potenzial für Erneuerbare
Für Cobija ist die PV-Anlage ein echtes Highlight. Zum Richtfest im September kam Präsident Evo Morales und weihte das erste Drittel der Anlage ein. „Dass hier nun die Sonne Ersatz für LKW-Ladungen voller Diesel liefert, konnten viele Menschen erst gar nicht so richtig begreifen“, erzählt SMA Entwicklungsingenieur Tim Rösinger, der die Batterien und die Batterie-Wechselrichter in Betrieb genommen hat. „Energieerzeugung, die vollkommen emissionslos funktioniert, ist hier für viele noch Neuland.“ Das Potenzial hingegen ist groß, und die geographischen Voraussetzungen sowohl im bolivianischen Hochland als auch in der Tiefebene mit vielen ländlichen und abgelegenen Gebieten ideal für den Aufbau von Offgrid-Systemen auf Basis von Solarenergie. Die Regierung will auch künftig noch mehr erneuerbaren Energien in die Energieversorgung integrieren und damit mehr Haushalte, öffentliche Einrichtungen, Schulen, Krankenstationen und soziale Einrichtungen an die Energieversorgung anbinden.
Interview: „Per LKW über die Anden“
Unsere Kollegen Stefan Tait, Senior Sales Manager Hybrid Sales, Tim Rösinger, Research and Development Commercial/Utility und Johannes Weide, Technical Product Manager Commercial/Utility waren an der Planung und Installation der Hybridanlage in Cobija beteiligt. Ein Gespräch über Klimastress, ‘Logistik extreme remote’ und Improvisationsfähigkeit.
Das Hybridsystem in Cobija ist in extrem kurzer Zeit installiert und in Betrieb genommen. Wo lagen die größten Hürden?
Stefan: Cobija ist das, was wir als „extrem remote“ bezeichnen. Schon der Anflug über die Andenketten hinein in den Regenwald des Amazonasgebiets ist ziemlich faszinierend. Logistisch war das für unsere Komponenten auch eine Herausforderung. Der Flughafen in Cobija ist nämlich nicht für Fracht ausgelegt. Die Wechselrichter mussten also von Chile aus in 20-Fuß-Containern per LKW über die Anden gebracht werden.
Tim: Und die LKW waren dann auch vom Hochwasser betroffen. Das hat dann noch mal Zeit gekostet. Durch unsere Erfahrungen in solch abgelegen Gegenden haben wir aber von vornherein einen zeitlichen Puffer einkalkuliert, so dass dann alles noch geklappt hat…
Und wenn doch mal etwas an der Anlage sein sollte? Cobija ist ja nicht gerade um die Ecke…
Johannes: Die Photovoltaikanlage selbst benötigt ja nur alle zwei Jahre eine Wartung. Und mit dem Remote Monitoring von SMA lassen sich die Systemoptimierung, Datenauswertung, Anlagenanalyse sogar jederzeit ortsunabhängig durchführen. Wir planen auch die Firmware-Updates darüber einzuspielen. Vor Ort sind aber Service-Techniker von uns geschult, die Reparaturen vornehmen können. Sollte unser Service gefragt sein, erledigen das unsere Kollegen aus der SMA Niederlassung in Chile.
Wie wirkt sich das tropische Klima auf die Komponenten aus?
Tim: Ich glaube, uns hat das Klima mehr zu schaffen gemacht. Ich habe im Umrichterraum öfter mal 38 Grad gemessen und ich habe noch nie so viel getrunken wie in Cobija. Unsere Wechselrichter haben es da vergleichsweise besser. Sie durchlaufen ja im Vorfeld sogenannte Klimastresstests und sind an Extrembedingungen mit hoher Luftfeuchtigkeit, Staub und Spritzwasser sowie große Kälte und Hitze gewöhnt. Sie sind so robust konzipiert, dass sie selbst im Dauerbetrieb bei 50°C Umgebungstemperatur noch mit Nennleistung arbeiten.
Was nehmt ihr mit aus Cobija?
Tim: Ich war total überrascht von der Stadt, denn schon im Flugzeug haben mir Bolivianer davon abgeraten, nach Cobija zu reisen. Da sei überhaupt nichts los und ich solle aufpassen, weil es dort gefährlich sei. Aber durch die brasilianischen Grenzgänger, die dort einkaufen, ist es in Cobija trotzdem total lebendig. Auf den Straßen ist immer etwas los. Die Menschen sind sehr aufgeschlossen und freundlich. Ich habe mich immer sicher gefühlt. Man kommt mit den Leuten relativ leicht ins Gespräch, z.B. wenn man sie irgendetwas fragt und bekommt so die Möglichkeit, sich über Land und Leute auszutauschen. Wenn auch oft mit Händen und Füßen…
Stefan: Sehr beeindruckt hat mich die Improvisationsfähigkeit der Leute. Das konnte man prima bei der Einweihung der Anlage sehen. Der Präsident sollte um 11:30 Uhr kommen. Wir waren um 9 Uhr an der Anlage. Da war noch sehr wenig von den geplanten Feierlichkeiten zu sehen. Pünktlich um halb zwölf standen aber das Zelt, die Bühne und die Militärparade bereit. Das wäre in Deutschland undenkbar gewesen.
Vielen Dank ihr drei für das Interview.
Liebes SMA Team,
gerade verfasse ich eine Seminararbeit über Photovoltaik Inselanlagen.
Als Beispiel Projekte möchte ich gerne diese Hybrid Projekt in Bolivien erwähnen.
Jedoch wollte ich mich erkundigen ob es noch detailliertere Informationen zur Anlage gibt.
Generator Leistung ist sehr hoch. Wurde da ein vorhandener alter verwendet.
Batterie Typen, Verschaltungen WR Typen Watt Zahl der Module.
Beziehungsweise an wen müsste ich mich im Hause SMA richten um genauere Informationen zu erhalten.
Beste Grüße
Philipp Edelmann
Hallo Philipp,
vielen Dank für dein Interesse an unserem PV-Diesel-Hybridsystem in Cobija. Du hast recht, die Generatoren dort waren schon vorhanden – in diesem Hybridsystem ergänzt die PV-Anlage die bestehende Dieselstromversorgung. Die Generatorleistung ist unter anderem deshalb so hoch, weil sie schon für einen künftig steigenden Energiebedarf ausgelegt ist. Die detaillierten Infos zum Projekt erhältst du demnächst von meinem Kollegen, an den ich deine Anfrage weitergleitet habe.
Viele Grüße,
Anke
Well Done!! und Glueckwuensche an alle Beteiligten! Irgendwann woollen auch wir einmal eine solche Anlage im tropischen Australien bauen………und jetzt wissen wir, dass es geht.
Es gruesst
Frank
Danke schön 🙂 das nette Feedback gebe ich gerne weiter
Viele Grüße
Leonie
Guten Morgen, wie lautet bitte die email adresse vom off-grid service? Danke, Gruss aus Thailand, Claude
Hi Claude,
hier die E-Mail-Adresse: Sunnyisland.service@sma.de
Viele Grüße
Leonie
Hallo SMA Team,
gibt es die Möglichkeit die Daten des Fuel Save Controllers einzusehen (so wie im einem Bild oben zu sehen) ?
So ein Live Einblick in ein funktionierendes System ist immer super und wäre eine tolle Referenz.
Besten Gruß
Simon