Einhaltung der Menschenrechte: Unternehmen tragen Verantwortung
50 Millionen Menschen leben weltweit in moderner Sklaverei – zehn Millionen mehr als vor fünf Jahren. Diese schockierenden Zahlen gab die Menschenrechtsorganisation „Walk Free“ erst kürzlich bekannt. Verantwortlich seien auch Unternehmen in Industrienationen, die über Lieferketten von der Zwangsarbeit profitierten, so die Organisation. Ein Thema, das Jessica Mannocchi und Erik Siems sehr am Herzen liegt. Der Vorstand hat sie als SMA Menschenrechtsbeauftragte bestellt. Im Interview erklären sie, was ihre Aufgaben in dieser Funktion sind und wie SMA die Einhaltung der Menschenrechte im Unternehmen und in der Lieferkette sicherstellt.
Jessica, Erik, wie seht ihr die Rolle von Unternehmen in Industrieländern bei der weltweiten Einhaltung der Menschenrechte?
Erik Siems: Angesichts immer wieder aufgedeckter Skandale, etwa in der Textilindustrie, müssen Unternehmen unbedingt stärker für die Auswirkungen ihres Handelns in der Lieferkette in die Pflicht genommen werden. Deshalb ist es gut, dass die regulatorischen Anforderungen weltweit steigen. In Deutschland wurden sie insbesondere im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verankert, das ab 2024 auch für SMA Anwendung findet. Es empfiehlt unter anderem die Berufung von Menschenrechtsbeauftragten in Unternehmen.
Jessica Mannocchi: Den Preis für billige Güter in Industrieländern zahlen die Menschen, die in der Lieferkette zu Niedriglöhnen oder unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen. Daher ist es so wichtig, Transparenz zu schaffen und auf Missstände hinzuweisen. Intransparenz verursacht Entfremdung und Distanz zu Themen, für die Unternehmen und Verbraucher eine Mitverantwortung tragen. Das können wir besser, und bei der Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung gilt mehr als irgendwo sonst: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Was genau sind eure Aufgaben als SMA Menschenrechtsbeauftragte?
Jessica Mannocchi: Unsere Menschenrechtsstrategie ist im globalen Nachhaltigkeitsmanagement der SMA Gruppe verankert, das ich als Head of Sustainability verantworte. Zu meinen Aufgaben als Menschenrechtsbeauftragte gehört es, die Umsetzung der entsprechenden Anforderungen zu koordinieren und zu überwachen. Neben den Anforderungen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gehören hierzu auch die Minimum Safeguards der EU-Taxonomie und die Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Als Menschenrechtsbeauftragte überwachen wir darüber hinaus die Wirksamkeit der eingerichteten Systeme und Maßnahmen und berichten dem Vorstand regelmäßig über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten, leiten Gremien und erstellen Berichte.
Erik Siems: Als Global Sustainable Procurement Manager liegt mein Schwerpunkt auf unseren Liefernetzwerken. Hier koordiniere und überprüfe ich die Umsetzung gesetzlicher Anforderungen in der Lieferkette, unterstütze Jessica bei der Erarbeitung der Menschenrechtsstrategie, berichte intern zu allen relevanten Themen an den Head of Global Strategic Procurement und den Vorstand und nehme an Austauschrunden und Best Practices teil, um unser Wissen mit anderen Unternehmen zu teilen und gleichzeitig auch von ihnen zu lernen.
SMA kauft weltweit ein. Wie kann man da die Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette sicherstellen?
Erik Siems: Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen implementiert, um unsere Einkaufspraktiken nachhaltiger zu gestalten. In unserem „SMA Verhaltenskodex für Geschäftspartner“ haben wir unsere Standards und Erwartungen bezüglich der Achtung der Menschenrechte und fairer Arbeitsbedingungen sowie weiterer wichtiger Themen für unsere Lieferanten und andere Geschäftspartner formuliert. Als Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Verhaltenskodex für alle Lieferanten verbindlich. Unsere Lieferanten verpflichten sich auch dazu, diese Anforderungen in den Lieferketten weiterzugeben. Außerdem setzen wir im Einkauf eine Lieferanten-Risiko-Software ein, mit der wir unsere Lieferanten überwachen. Gibt es Verstöße bei den Lieferanten, werden diese in dem Risiko-Tool angezeigt. Noch tiefergehende Informationen werden wir durch eine detaillierte Risikoanalyse unserer Lieferanten erhalten, die wir in diesem Jahr abschließen und zum Bestandteil unserer Menschenrechtsstrategie machen werden.
Wenn wir Risiken oder Verbesserungsvorschläge identifizieren, kontaktieren wir die betreffenden Lieferanten und erarbeiten mit ihnen Gegenmaßnahmen, deren Umsetzung wir überwachen. 2022 haben wir im Bereich Menschenrechte bei 15 Lieferanten 81 Verbesserungspotenziale identifiziert und entsprechende Maßnahmen angestoßen. Außerdem berücksichtigen wir seit letztem Jahr bei der Vergabe von neuen Aufträgen einen ESG-Score. Dafür werden unserer Lieferanten durch einen externen Dienstleister hinsichtlich ihrer ESG-Performance bewertet. Wichtig ist, dass wir die Transformation unserer Lieferketten als einen kontinuierlichen Prozess verstehen und sowohl unsere Kolleg*innen wie auch Lieferanten mitnehmen.
SMA ist mit Tochtergesellschaften in 20 Ländern auf sechs Kontinenten vertreten. Wie sorgt ihr dafür, dass alle SMA Gesellschaften die Anforderungen bezüglich der Menschenrechte einhalten?
Jessica Mannocchi: Die Einhaltung der Menschenrechte hat nicht nur in der Lieferkette eine hohe Bedeutung, sondern auch innerhalb unseres Unternehmens. Dazu gehören auch Rechte wie faire Vergütung, Arbeitssicherheit, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie Anti-Diskriminierung. 2022 hat der SMA Vorstand den „SMA Verhaltenskodex für Mitarbeitende“ aktualisiert und global in Kraft gesetzt. Er bildet die SMA Geschäftsgrundsätze ab. Im neuen Verhaltenskodex wird insbesondere unser Engagement für ganzheitliche Nachhaltigkeit und die Wichtigkeit der Einhaltung von Menschenrechten stärker hervorgehoben. Der Verhaltenskodex bildet einen unternehmensweit einheitlichen Rahmen, der allen Mitarbeitenden dabei hilft, durchgängig die richtigen Entscheidungen im Sinne von SMA zu treffen. Alle SMA Mitarbeiter*innen sind dem Verhaltenskodex verpflichtet und absolvieren dazu eine verpflichtende Schulung.
Zusätzlich haben wir ein Risikomanagementsystem für Arbeitsstandards in unser Integriertes Managementsystem implementiert und global aufgesetzt. Die Überprüfung der SMA Tochtergesellschaften erfolgt in Form interner Audits. Die Risiken für die Nichteinhaltung gesetzlicher Anforderungen oder von Selbstverpflichtungen variieren von Land zu Land. Die acht aktiven Konzerngesellschaften mit mittlerem oder hohem Risiko haben wir bereits auditiert. Auf Basis der Ergebnisse hat das Audit-Team Verbesserungsmaßnahmen definiert, deren Umsetzung IT-gestützt überwacht wird. Auf Basis der Erkenntnisse formulieren wir außerdem globale Standards zur Festlegung und Standardisierung der Arbeitsbedingungen. Bis 2025 haben wir uns zum Ziel gesetzt, alle 21 aktiven SMA Gesellschaften mit dem Risiko- und Überwachungssystem abzudecken.
Welche Rolle spielt dabei der SMA Arbeitskreis Menschenrechte, den ihr kürzlich ins Leben gerufen habt?
Jessica Mannocchi: Im Arbeitskreis Menschenrechte sind alle Unternehmensfunktionen vertreten, die bei SMA mit Menschenrechtsthemen befasst sind oder die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes operativ umsetzen. Im Arbeitskreis Menschenrechte überwachen wir die Umsetzung und kontrollieren die Wirksamkeit der Maßnahmen. Wir diskutieren Herausforderungen und bereiten Entscheidungsvorlagen für das Sustainability Committee vor, das die Umsetzung der SMA Nachhaltigkeitsstrategie überwacht und Entscheidungen zu wichtigen Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen trifft. Den Vorsitz im Sustainability Committee hat unser Vorstandssprecher Jürgen Reinert.
Was können Mitarbeiter*innen, Lieferanten und andere Stakeholder tun, wenn sie einen Verdacht auf Menschenrechtsverletzungen bei SMA oder in der Lieferkette haben?
Erik Siems: Mitarbeitende können sich zunächst direkt an ihre*n Vorgesetzte*n oder an die interne Compliance-Helpline wenden. Externen Stakeholdern oder Mitarbeitenden, die anonym bleiben möchten, steht die SMA Speak-Up Line auf unserer Website zur Verfügung. Das ist ein von einem externen Anbieter betriebenes Whistleblower-System. Die Meldungen werden streng vertraulich behandelt, und Mitarbeitende haben selbstverständlich keine Sanktionen für Meldungen in gutem Glauben zu befürchten.
Jessica, Erik, vielen Dank für das Gespräch.
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