Fünf Schritte für eine erfolgreiche Sektorenkopplung

Eric Quiringvon Eric Quiring (Gastbeitrag), , 1 Kommentar

Die Sektorenkopplung ist en vogue: Weil sie die Energieversorgung nachhaltig, effizient und kostengünstig macht. Dafür braucht es kompatible Sektoren und Technologien. Und auch in Deutschland, dem Vorzeigeland für die Energiewende, brauchen wir wieder mehr Zugkraft. Sonst heißt es bald „Power to niX“. Für einen internationalen Erfolg der Sektorenkopplung müssen diese fünf Punkte konsequent umgesetzt werden.

1. Innovationsausschreibungen auf den Weg bringen

Marktanreiz- und Fördermodelle hier, Absenkung der Vergütung da. In vielen Ländern herrscht bisher eher ein regulatorischer Flickenteppich. Die Angst vor der Überförderung einer Technologie scheint größer zu sein als die vor den Folgen einer verpassten Energiewende. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, die einzelnen Flicken zu verbinden: Innovationen mit dem Titel „Power-to-X“. Sie verbinden Mobilität, Wärme und Strom und sollen im deutschen EEG bis 2021 in wettbewerblichen Ausschreibungen gegeneinander antreten. Zwar erhalten diese Innovationsanlagen eine Basisvergütung, sind aber zahlreichen wirtschaftlichen Zwängen ausgeliefert1. Das zeigt deutlich die Investitionsverweigerung der Bundesregierung.
Forderung: Weniger Hürden für Innovationen, die der Sektorenkopplung dienen. Diese müssen mit einer festen Vergütungen bis zu einer Gesamtmenge von etwa einem Gigawatt bis zur Marktreife gefördert werden.

2. Digitalisierung heißt nicht Bürokratisierung

Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende verpflichtet Anlagenbetreiber in Deutschland zum Einsatz von Smart Metern. Sie bestehen aus einem digitalen Zähler und einer Kommunikationseinheit „Gateway“. Die Geräte sollen eine intelligente Lastverlagerung ermöglichen und damit das Energiesystemen flexibilisieren. Das ist sinnvoll. Die Preisobergrenze für die Geräte im privaten Haushalt liegt bei 100 €.2 Die Zertifizierung der entsprechenden Geräte verzögert sich aufgrund von Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Datenschutzrichtlinien jedoch immer weiter.
Dabei gibt es bereits heute Lösungen, die funktionieren. Tausende Anlagenbetreiber nutzen ihre selbst erzeugte Energie zuerst im eigenen Haushalt und betreiben somit Eigenverbrauch, optimieren anhand der Erzeugungs- und Verbrauchsdaten das Lastprofil und können auch Regelleistung erbringen. Die Anlagenhersteller wiederum lesen schon jetzt ihre Produkte per Fernüberwachung aus. Mit der fortschreitenden Preisrutsche von PV-Speicher-Anlagen wird sich das weiter etablieren. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik kümmert die bereits etablierte, praxiserprobte und sichere Kommunikationsarchitektur indes wenig und bastelt weiter am Roll-out der Smart Meter. Die Kosten dafür werden selbstredend auf die Kunden umgewälzt.
Forderung: Freie Datennetzarchitektur für Monitoring, Steuerung und Handel zulassen und nutzen.

3. Weniger Marktintegration, mehr Systemimplementierung

Die erneuerbaren Energien werden von Staaten gefördert, damit diese Marktpreise erzielen, um in der Energiewirtschaft mitzuhalten. Jedoch ist längst bekannt, dass fossile Energie nur aufgrund der energiewirtschaftlichen Historie günstige Preise am Markt erzielt. Das selbstkonstruierte Preisargument drängt das Argument eines fairen Wettbewerbs zurück. Die EU stärkt den freien Markt, in dem sich Energieerzeuger begegnen können. Doch die Erneuerbare Energie wird in den meisten Staaten als Fremdkörper betrachtet. Um dem zu begegnen, müssen die Erneuerbaren Energien sich zentraler in der Energiewirtschaft positionieren.
Forderung: Deutschland, ehemaliger Vorreiter der Energiewende, muss wichtige Prinzipien aus dem Erneuerbaren Energien Gesetz in das Energiewirtschaft-Gesetz übertragen. Nur so lassen sich die Erneuerbaren Energien langfristig im Markt verankern.

4. Prosumer vor Netzausbau

Seit 2016 ist der Begriff „Prosumer“ in Europa weit verbreitet. Im zukünftigen Strommarktdesign der Europäischen Union ist der „active customer“ ein wichtiger Baustein der Netzinfrastruktur. Konkret heißt das: ein Haushalt erzeugt nicht nur Strom und speichert diesen, sondern bedient zusätzlich Netze und lädt im besten Fall sogar ein Elektrofahrzeug. Anlagenbetreiber werden mit enormen Steuern belastet. So sind etwa Speicher immer noch als Letztverbraucher definiert und werden steuerlich sogar doppelt belastet. Und das, obwohl Speicher einen erheblichen Teil zur Versorgung beitragen. Die TU Braunschweig hat Ende Januar 2019 eine Studie vorgelegt, die zeigt, wie Prosumer sogar die Vollabdeckung aller Ladepunkte in einem Ortsnetz leisten können. Durch die bereits vielfach verbaute Technik können 60 Prozent aller E-Ladestation (11kW-Ladestationen) abgedeckt werden. Rückenwind kommt im Richtlinienpaket der Europäischen Kommission.3
Forderung: Jetzt müssen auch die Nationalstaaten handeln und bürokratische Hürden wie eine Doppelbelastung für Speicher und die Umlage auf Eigenverbrauch abbauen.

5. Ein System, ein Preis: für einen europäischen Strommarkt

Strom wird europaweit um ein Vielfaches höher belastet als Erdgas oder Heizöl. Der Erdgaspreis liegt seit 2012 konstant bei ca. 6,5 Cent die Kilowattstunde. Mit aktuellen Projekten wie der „Nordstream“ wird das in Deutschland auch so bleiben. Ähnliches gilt bei der Förderung von Stein- und Braunkohle. Diese Schieflage schlägt sich ganz klar im Wettbewerb der Energieträger nieder, denn nach wie vor ist der Preis entscheidend. Die Flexibilisierung der Energieträger wird durch die starren Steuern, Umlagen und Netzentgelte massiv blockiert. Die TU Clausthal hat mit Partnern fünf Instrumente zur Reform der Entgelte im November 2018 vorgestellt. Die Studie betrachtet dabei auch einen stark integrierenden europäischen Strom-Binnenmarkt. Die Komplexität der Bepreisung von Energieträgern ist ebenso hoch, wie die rechtlichen Hürden. Eine „Inputsteuer“ für die Einspeisung in das System ist auch aufgrund der vielen Preisvariablen der unterschiedlichen Erzeugungen eher unrealistisch.
Forderung: Eine CO2-orientierte „Output-Steuer“ würde einen sinnvollen Rahmen für alle Erzeuger bieten und kleinere Verbraucher entlasten. Das darf die konventionelle Energiewirtschaft nicht weiter blockieren.

Fazit

In Deutschland wird momentan noch nicht viel „gekoppelt“. Es gibt noch zu viele große Hürden im deutschen Energiesystem. Die einzelnen Sektoren werden nicht ohne einen gemeinsamen Rahmen miteinander interagieren. Dafür braucht es aber auch einen politischen Ordnungsrahmen.
Die PV-Branche hat gezeigt, dass bei extremen Marktschwankungen über Eigenverbrauch bereits attraktive Modelle entstehen können. Geschäftsmodelle allein können jedoch die Systemtransformation nicht leisten. Aber sie erhöhen den Handlungsdruck auf die Politik.
In der EU-Kommission ist die Nachricht bereits angekommen. Jedoch sind wir von einem echten Masterplan für eine flächendeckende Sektorenkopplung noch weit entfernt. Es ist an der Zeit, dass die Politik endlich ernsthaft einen Plan vorgibt, um die Energiewende zu einem Gesamterfolg zu machen.

Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade «Sektorenkopplung für die Energiewende»

 

1 § 39j, 88d EEG 2017
2 https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Verbraucher/NetzanschlussUndMessung/SmartMetering/SmartMeter_node.html
3 https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5076-2019-INIT/en/pdf

 

 

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