10. Barcamp Renewables: Mit Backcasting in die Zukunft

Suffizienz, Vertical Videos, Narrative für die Energiewende: Ein Feuerwerk spannender Themen, inspirierende Begegnungen und ganz neue Anregungen für die Bewältigung von Klima- und Energiekrise. Das Barcamp Renewables ist alles andere als in die Jahre gekommen. Zum 10. Mal fand es jetzt bei SMA in Kassel statt und das Konzept, das Programm gemeinsam zu gestalten, ging auch diesmal wieder auf.

Bereits am Vorabend der eigentlichen „Unkonferenz“ trafen sich 60 Barcamper*innen, um das diesjährige Motto „Erneuerbare machen unabhängig“ zu diskutieren. Wie sich das für das Format gehört in einer beteiligungsorientierten Fishbowl-Diskussion, bei der die Teilnehmer*innen wechseln. Nur, dass auf dem Podium erstmal alle Sessel frei waren. Doch die Plätze waren schnell durch Expert*innen aus dem Publikum besetzt und es wurde solidarisch gestritten. Danke an Anne für die methodische Einführung.

In der Fishbowl aus der Energiekrise?

Die einzelnen Beiträge der abendlichen Diskussion lieferten eine wunderbare Grundlage für das eigentliche Barcamp am nächsten Tag. So fragte „Energiesparkommissar“ Carsten, seines Zeichens Energieberater und YouTuber, beim Thema Wärmewende, wie dreifach verglaste Fenster zu Statussymbolen werden können. Thomas vom deENet aus Kassel forderte ein neues Narrativ für die Energiewende, um mehr Menschen zu gewinnen. Was wiederum Thomas, beschäftigt bei der Stadt Kassel, veranlasste direkt eine Session für den Folgetag anzukündigen.

Antje vom Landesverband Erneuerbare Energien aus Mecklenburg-Vorpommern wies darauf hin, dass Hessen Mecklenburg den Rang ablaufe, was Genehmigungsverfahren für Windräder angeht. So würden Verfahren in Hessen 38 (!) Monate dauern, im Norden „nur“ 32 Monate. Weitere Hemmschuhe für die Energie- und Wärmewende: Fachkräftemangel im Handwerk und Bauteilemangel in der Industrie.

Eric von SMA blickte über den eurozentristischen Tellerrand: In Indien warteten 80.000 ausgebildete Solarteure auf Arbeit, weil dort der Solarboom ausbleibt. Ein erstes Pilotprojekt, diese Fachkräfte nach Deutschland zu holen, sei bereits in der Planung.

Auch Energieberater*innen gäbe es nicht genug, waren sich die Teilnehmenden einig. Hier wurde die Frage gestellt, ob man nicht bestimmte Beratungsleistungen digitalisieren könne, um den Ansturm an Anfragen zu kanalisieren.

Barcamp Renewables 2022

Spannende Themen, wertvolle Inspirationen, tolle Menschen

Das eigentliche Barcamp startete mit einem gemeinsamen Frühstück und der obligatorischen Sessionplanung. Auf die Agenda schafften es Themen wie Suffizienz, also das Sparen von Energie und Material – angekündigt mit „Klingt scheiße, ist geil“. Dazu eine Session, in der Energieberater*innen eine Anleitung zum einfachen energieeffizienten Umbau von Einfamilienhäusern erstellten.  Sowie „Faken für den Erfolg“ – wie Pretotyping helfen kann, Produkte passgenau auf den Markt zu bringen. Und natürlich feurige Debatten über die Wasserstoffwirtschaft.

Ideen-Ping-Pong für die Energiewende

In meiner Session zu Social Media Trends haben wir die Bedeutung des Metaverse, virtuelle und „echte“ Influencer*innen, TikTok sowie Vertical Videos diskutiert.

Begeistert war ich von Dieter. Er hält anhand von selbstgebauten Versuchsobjekten (alles mit wenigen Euros aus dem Baumarkt realisierbar!) Lehrerfortbildungen zum Thema Erneuerbare Energien. Und das nicht allein in Deutschland sondern auch in Afrika. Der Funke sprang bei den Teilnehmenden über. Als Schülerin hätte mich ein Lehrer wie Dieter für Physik begeistert.

Eine weitere Session, die mir im Gedächtnis bleibt, war die von Marinus, Kersten und Jörg. Mithilfe von Backcasting (das Gegenteil von Forecasting) haben wir eine ideale Energie-Welt für 2050 erschaffen und kehrten von dort in 5-Jahresschritten zurück in die Gegenwart. So konnten wir definieren, welche Voraussetzungen jeweils 2045 oder 2040 erreicht sein müssen, um eine wirkliche Sektorenkopplung erneuerbarer Energien zu erzielen. Auch wenn wir dafür nur 45 Minuten Zeit hatten; unseren „Fahrplan“ stellen wir gerne Herrn Habeck zur Verfügung. 😉

Klimakrise? Machen wir das Beste draus!

Aber zurück zur Ausgangsfrage aus der Fishbowl: Welches Narrativ entwickeln wir, um mehr Menschen für die Energiewende zu gewinnen? Ein „Wir schaffen das!“ scheint angesichts der vier drohenden Kipppunkte, die laut internationaler Wissenschaftler*innen bereits 2030 erreicht sein werden, nicht mehr angemessen. Ein Vorschlag: „Wir machen das Beste draus!“ Oder wie ein anderer Teilnehmer den SMA Gründer Günther Cramer zitierte: „Seien wir Realisten und versuchen das Unmögliche.“ Denn auch wenn die Perspektive nicht rosig scheint: Nichtstun ist keine Alternative!

Danke an unsere Sponsoren und an das tolle Orgateam, ohne deren fantastisches Engagement dieses Barcamp nicht möglich gewesen wäre. Bis nächstes Jahr 👋

Barcamp Renewables feiert 10 Jähriges

Im Jahr 2012 veranstaltete Julia Heimeier mit einer Handvoll Helfer*innen das erste Barcamp Renewables in Kassel. Zur ersten Unkonferenz für Erneuerbare Energien kamen rund 50 Teilnehmende aus ganz Deutschland und Österreich, um angeregt über ihre selbst platzierten Themen zu diskutieren und zu netzwerken. Viele von ihnen lösten ihr Versprechen ein, kamen auch in den Folgejahren wieder und brachten immer mehr Interessierte mit. Inzwischen setzt die Veranstaltung jedes Jahr (ausgenommen die Pandemiejahre) einen aktuellen Themenschwerpunkt und ist zu einem festen Event der Energiewende geworden.

 

2 Kommentare
  1. Peter
    Peter sagte:

    Super Barcamp. Ich war das erste Mal dabei und es war super zum netzwerken, austauschen und nach Corona mal wieder mit Menschen zusammen kommen.

    Neben dem fachlichen Austausch gab es super Essen und eine grandiose Kaffebar!

    Vielen Dank an die anderen Teilnehmer, das Orga-Team und die Sponsoren.

    Antworten
    • Christiane Keim
      Christiane Keim sagte:

      Hallo Peter,

      vielen Dank für das nette Feedback, das wir gern an das Orga-Team weitergeben.

      Sonnige Grüße
      Christiane

      Antworten
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